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Unmögliches möglich machen

21.12.2023 | Katrin Baginski

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Katrin Baginski

Katrin Baginski arbeitet als Pressereferentin und Texterin für die NRD.

Unmögliches möglich machen

Die Menschen in der Ukraine erleben jetzt das zweite Weihnachten im Krieg. Wie geht es den Flüchtlingsfamilien hier bei uns? Die NRD Bergstraße hat einige Familien ein Jahr lang intensiv begleitet. Ein Rückblick auf ein besonderes Projekt.

Am Anfang stand die Unterstützung von Hilfstransporten. Seit Beginn des Krieges beteiligte sich die NRD mit Sach- und Geldspenden, um Hilfsgüter an die polnische Grenze zu bringen. Von dort wurde die Hilfe an Einrichtungen in der Ukraine weitergeleitet, in denen Kinder mit Behinderungen leben oder betreut werden. Die gebürtige Polin Beata Kowalska-Krzyszton organisierte viele dieser Transporte von der Bergstraße aus. Der Zufall führte sie im Sommer 2022 mit der Ukrainerin Olena Weber zusammen. Olena lebt seit acht Jahren an der Bergstraße und hilft Flüchtlingen, die hier gestrandet sind. Im Kontakt mit Johanna Götte vom Inklusiven Familienzentrum der NRD in Bensheim entstand gemeinsam die Idee für ein möglichst niedrigschwelliges Soforthilfeprojekt vor Ort.

Interdisziplinäres Team mit viel Herzblut
Mit der Unterstützung ihrer Kolleginnen im Fundraising erwirkte Johanna Götte eine Sonderförderung der Aktion Mensch e. V. in Höhe von knapp 60.000 Euro. Damit war der Start des offenen Begegnungstreffs für ukrainische Familien im Inklusiven Familienzentrum gesichert. Im Fokus: Familien mit Kindern, die eine Beeinträchtigung haben. Dass sich aus dem niedrigschwelligen Angebot ein besonderes  Leuchtturmprojekt entwickeln würde, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Johanna Götte übernahm die Leitung des auf ein Jahr angelegten Projekts. Mit großem Engagement führte sie Gespräche mit der Stadt Bensheim und den zuständigen Behörden, vermittelte, organisierte und motivierte alle Beteiligten. Die unübersichtliche Verwaltungslage in der Flüchtlingsarbeit aber auch die schwierigen Bedingungen in der Zeltstadt in Bensheim, die damals als Auffanglager diente, machten ihr die Aufgabe nicht leicht. Ihre Kolleginnen Nina Wurzrainer, Teamleiterin des Inklusiven Familienzentrums und später Myria Sprenger, Fachberaterin, übernahmen die Organisation des Begegnungscafés.

„Ein Stück Verlorenes zurückgewinnen: ein Zuhause“
Von Oktober 2022 bis August 2023 bot das Inklusive Familienzentrum zweimal im Monat ein offenes Café für ukrainische Familien an. Das Café war stets gut besucht. Bei Kaffee und Kuchen konnten sich die Eltern austauschen, während die Kinder spielten und betreut wurden. Olena und Beata, die dank der Förderung mit einem Dienstvertrag von der NRD eingestellt werden konnten, unterstützten die Familien bei allem, was nötig war. „Wir mussten sehr viele Dokumente wie Impfpässe oder ärztliche Diagnosen übersetzen, weil sie auf Kyrillisch geschrieben waren“, erzählt Beata. Und Olena ergänzt: „Uns war es wichtig, den Familien ein Stück Sicherheit und Geborgenheit zu geben, um in der Fremde ankommen zu können“. Ihre Mitarbeit war ein großer Gewinn: Neben ihrer Muttersprache brachten sie wertvolle Erfahrungen und Kontakte mit - und auch die nötige Portion Unerschrockenheit, um manchmal unkonventionelle Wege zu gehen. Schritt für Schritt entwickelte sich der Begegnungstreff zu einem umfassenden Beratungsprojekt. Allen Beteiligten war bewusst, dass das Projekt nur auf ein Jahr angelegt war. Nina Wurzrainer: „Johanna hat uns immer wieder neu motiviert und deutlich gemacht, dass wir die Familien in dieser Zeit so begleiten müssen, dass sie danach allein zurechtkommen“.

„Das Projekt vereint, was die NRD ausmacht. Durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Kompetenzen haben wir viele Barrieren überwunden und das eigentlich Unmögliche möglich gemacht. Es ist ein gelungenes Beispiel für das Zusammenwachsen unserer Arbeitsfelder“. Myria Sprenger

Aus Begegnung wird Beratung wird Beziehung
Insgesamt wurden acht Familien mit Kindern mit Unterstützungsbedarf in dieser Zeit intensiv begleitet. Darunter Kinder mit Besonderheiten aus dem Autismus-Spektrum, Down-Syndrom oder Lernschwierigkeiten. Alle hatten zusätzlich Kriegs- und Fluchterfahrungen im Gepäck. Olena und Beata begleiteten die Familien zu Ärzten und Terminen, besorgten Wohnungen, halfen bei Umzügen, bei Anträgen und Formularen. Oft war der direkte Kontakt erfolgreicher als der Weg durch die Bürokratie. „In Deutschland sind viele Abläufe sehr komplex. Allein hätten die Familien das nicht geschafft“, sind sich beide einig und freuen sich, dass die Zusammenarbeit so gut geklappt hat: „Wir haben uns gut ergänzt“. Auch Myria Sprenger konnte ihr Wissen als Kita-Fachberaterin wirksam einsetzen, um die benötigten Kita- und Schulplätze für die Kinder erfolgreich zu vermitteln. „Ich kenne die Strukturen und Wege vor Ort“. Zusammen mit Nina Wurzrainer übernahm sie Fahrdienste, schrieb Berichte und Protokolle.

Am Ende der Projektlaufzeit im Herbst 2023 sind die acht Familien im Kreis Bergstraße angekommen und nehmen ein Stück weit am gesellschaftlichen Leben teil. Wohnungen sind gefunden, Betreuungsplätze für die Kinder organisiert, notwendige Diagnosen gestellt, Behandlungen oder Betreuungen beantragt. Eine Basis ist geschaffen. „Am Anfang saßen die Kinder ängstlich in der Ecke, beim Abschlussfest spielten alle fröhlich miteinander“, beschreibt Beata die Entwicklung der Kinder. Auf das Erreichte können alle stolz sein. Alle haben ihre Fähigkeiten eingebracht. Das hat wesentlich zum Erfolg des Projektes beigetragen und geholfen, Grenzen zu überwinden. Einen großen Anteil daran hatte Johanna Götte, die im Inklusiven
Familienzentrum für die Beratung zuständig war und im Frühjahr 2023 unerwartet verstarb. Ihr plötzlicher Tod hinterließ nicht nur im Projekt eine große Lücke. „Egal, wie die Situation war, Johanna ist immer etwas eingefallen, sie hat uns viele Tipps gegeben. Für die Menschen da zu sein, etwas zu bewegen, dafür stand Johanna“, wissen ihre Kolleginnen. Olena fügt hinzu: “Ich habe viel von ihr gelernt. Ich konnte etwas bewegen, das macht mich zufrieden und glücklich“.

Wie geht es für die Familien aus der Ukraine weiter? Wichtige Anlaufstellen sind der Arbeitskreis Asyl und das Jobcenter. Lokale Einrichtungen bieten Kontaktmöglichkeiten. Daneben können die Familien die offenen Angebote des Inklusiven Familienzentrums nutzen. Durch das Begegnungscafé sind neue Beziehungen entstanden. Zu einigen Familien haben Beata und Olena weiterhin Kontakt auf privater Basis: „Wir sind eine große Familie geworden“. Das ist etwas, was in diesen Zeiten trägt.

Titelfoto: Ein gutes Team: v. l. Nina Wurzrainer, Myria Sprenger, Beata Kowalska-Krzyszton, Olena Weber.

Ein Jahr mit vielen Erlebnissen - Impressionen aus dem Ukraine-Projekt an der Bergstraße
Ein Jahr mit vielen Erlebnissen - Impressionen aus dem Ukraine-Projekt an der Bergstraße
Derzeit leben über eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland. Darunter sind fast 350.000 Kinder, die meisten im Grundschulalter. Der Kreis Bergstraße hat 2023 etwa 2700 Kriegsflüchtlinge unterschiedlicher Herkunft aufgenommen. Für 2024 wird eine deutliche Zunahme erwartet. (Quelle: Mediendienst Integration/Kreis Bergstraße).

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